• Laufzeit30. Oktober 2004 - 30. Januar 2005
  • OrtAlte Nationalgalerie
  • Eine Ausstellung der Staatlichen Museen zu Berlin, mit besonderer Unterstützung der DekaBank, ermöglicht durch den Verein der Freunde der Nationalgalerie.

Als einen „gotischen Dom mit ans Himmelblau reichenden silbernen Schneespitzen“ erlebte Ludwig Richter den Watzmanngipfel während seines Aufenthaltes im Berchtesgadener Land. Wenig später entstand sein Gemälde „Der Watzmann“, welches wiederum Caspar David Friedrich veranlasste, eine eigene Version des eindrucksvollen Berges zu malen.

Diese wohl bedeutendste Hochgebirgslandschaft der Romantik konnte dank der mäzenatischen Unterstützung der DekaBank erneut für die Nationalgalerie gesichert werden. Friedrichs „Watzmann“ wurde 1937 aus jüdischem Besitz für die Sammlung gekauft und war restitutionspflichtig. Nach erfolgreichen Verhandlungen mit den Nachkommen des Vorbesitzers ist das großformatige Werk zurückerworben worden. Aus diesem Anlass widmet die Nationalgalerie Friedrichs Gemälde eine Ausstellung, die diese Gebirgslandschaft in ihren unmittelbaren zeitgenössischen Kontext stellt: Impulse, Einflüsse und Hintergründe zur Entstehung und Bedeutung des „Watzmann“ sollen aufgezeigt werden.

Die Konfrontation mit Werken vor allem von Malern aus dem Dresdner Kreis um Friedrich wird unterschiedliche künstlerische Auffassungen vor Augen führen, aber auch die gemeinsame Begeisterung für das Hochgebirge deutlich machen.

Feierliche Großartigkeit und vollkommene Einsamkeit ließen Friedrichs „Watzmann“ zum Inbegriff der romantischen Gebirgsdarstellung werden. Wie durch ein Fernrohr herangeholt scheint der Gipfel des Watzmanns in seiner leuchtenden, fast gläsernen Klarheit unmittelbar nahe, vermeintlich greifbar und zugleich entrückt, wie ein Symbol göttlicher Majestät. In eisige Unnahbarkeit gehoben und in ihrer ganzen, fast durchsichtigen Form idealisiert, schimmern die Felsenstirnen nahezu entmaterialisiert. Der lichte Berg erwächst kompositorisch aus einer einzigen, reich variierten Bewegung. Die pyramidale Form gipfelt im strahlenden Weiß des Eises, eine Bildidee, die Friedrich bereits 1824, ein Jahr vor der Entstehung des „Watzmann“ in seinem berühmten Bild „Eismeer. Die gescheiterte Hoffnung“ entwickelte.

Auf der Berliner Kunstausstellung 1826 führte Friedrich eine Begegnung beider Werke herbei. Hier wie dort ewiges Eis im hellen Licht, im „Eismeer“ mit Schiffbruch ein Naturschauspiel der Zerstörung, beim „Watzmann“ der Berg entrückt vor blauem Himmel. Beides sind Bilder der Erhabenheit und des Schreckens, von Naturgröße und Naturgewalt, jenseits menschlicher Fassungskraft. Der Hamburger Kunsthalle ist es zu danken, dass das „Eismeer“ erneut gemeinsam mit dem „Watzmann“ in Berlin gezeigt werden kann.

Caspar David Friedrich, der mit dem „Watzmann“ die wohl bedeutendste Hochgebirgslandschaft der Romantik schuf, hat die zu seiner Zeit noch weitgehend unberührte wilde Bergwelt der Alpen selbst nie gesehen. 1774 in der Hafenstadt Greifswald geboren, wuchs Friedrich an der Pommerschen Ostseeküste auf. 1798 ließ sich der 24jährige Künstler in der sächsischen Residenzstadt Dresden nieder, wo er bis zu seinem Tode 1840 lebte, unterbrochen von einigen Reisen an die heimatliche Ostseeküste, ins Riesengebirge und in den Harz. Eine für 1808 geplante Reise in die Schweiz, in das legendäre „Land der Freiheit“ und der „erhabenen Natur“ des Hochgebirges, kam nicht zustande.

Seit in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts eine umfassende naturwissenschaftliche und künstlerische Erkundung der Alpen begonnen hatte, besaß kein Gebirge in Europa eine größere Anziehungskraft. Nunmehr gewährte die vermeintliche Regellosigkeit der Alpen dem geologisch Interessierten Einblick in die elementaren Gesetzmäßigkeiten dieser faszinierenden Ur-Natur. Künstlerische Beschreibung, wissenschaftliche Erforschung und literarische Verklärung beförderten eine europaweite Alpen-Begeisterung.

Auch in Dresden spielte die Begegnung mit der großartigen Natur des Hochgebirges in den 1820er Jahren eine besondere Rolle. Fast alle sächsischen Romantiker, soweit sie studienhalber nach Italien gingen, nahmen sich Zeit zum Erleben der Alpenwelt. Vertraut mit der überschaubaren Kulturlandschaft des sächsischen Elbtales waren die meisten Romreisenden von der noch weithin unberührten majestätischen Größe des auch als einen Ort der Freiheit erlebten Hochgebirges beeindruckt. Ab 1824 zeigten die Dresdener Akademieausstellungen eine beachtliche Zahl von Alpenlandschaften.

Der 22jährige Dresdener Künstler Ludwig Richter wanderte im Sommer 1823 nach Italien. Ende Juni bis Anfang August weilte er in Salzburg und im Berchtesgadener Land, als dessen höchster Gipfel sich der Watzmann mit 2713 m westlich vom Königssee erhebt. Erfüllt von ehrgeizigen Plänen und bereichert durch neue Eindrücke traf Richter mit zahlreichen Studien im September 1823 in Rom ein. Schon während der Reise hatte er beschlossen, ein größeres Werk auszuführen, womit er die „deutsche Natur zu einem Ideal, zu edler Größe erheben“ wollte. Auf der Grundlage verschiedener Naturstudien schuf Richter bald darauf das Gemälde „Der Watzmann“. Dabei inspirierte ihn besonders Joseph Anton Kochs berühmte Ansicht des Schmadribachfalls, die er in Rom in dessen Atelier bewundert hatte. 1824 sandte Richter sein Bild zur Dresdner Akademieausstellung ein, welches dort eine ausführliche und insgesamt positive Würdigung erfuhr.

Ein Jahr später, 1825, und wohl in Reaktion auf Richters Werk stellte Caspar David Friedrich seine Darstellung des Watzmanns aus. Als Vorlage diente ihm eine Aquarellstudie seines 1822 gestorbenen Schülers August Heinrich sowie eigene Skizzen seiner Reisen in den Harz und das Riesengebirge. Die Partie der Felsbildungen im Vordergrund entstand nach Zeichnungen des Trudensteins am Hohnekopf in der Nähe des Brockens vom 28. Juni 1811.

Friedrich lehnte die erzählerische Auffassung Richters, das ihm als „naturwidrig“ erscheinende Streben nach Vielfalt ab. Landschaftsmalerei habe „ihrem Ziele schon näher gestanden als gegenwärtig,… wo man durch Anhäufung von Gegenständen aneinander, hintereinander und übereinander die Bilder überladet, ich glaube Reichhaltigkeit geben will“. Richters detailreich geschilderter Landschaft setzte Friedrich eine reduzierte „hieroglyphische“ Form entgegen. Während bei Richter der Watzmann bis in die höchsten Lagen bewohnbar ist, erscheint er bei Friedrich wie eine seltsam ferne Vision. Kein lebendiges Wesen weilt an diesem hoheitsvollen Ort erhabener Bergnatur. Es bleibt Friedrichs „bildnerische und dichterische Kraft zu bewundern“, schrieb Eberhard Hanfstaengl, „mit der er eigenes und fremdes Naturbild in eine phantasievoll gesteigerte Form bringt, die alles Vedutenhafte verliert und zu einem Inbegriff der Gebirgsdarstellung wird.“